COPYRIGHT NOTICE: The content of this website, including text and images, is the property of The Nietzsche Channel. Reproduction in any form is strictly prohibited. © The Nietzsche Channel. [Über die musikalische Komposition, "Ermanarich."] Michaelis2 1861 war es, wo ich in wenigen Tagen das vorliegende Bruchstück der Ermanarichsinfonie anfing und vollendete; für zwei Klaviere berechnet nach dem Vorbild der Dantesinfonie,3 die ich kurz vorher hatte kennenlernen. Es war eine Zeit, in der der Ermanarichstoff mich heftiger als je bewegte, zur Dichtung war ich noch zu sehr erschüttert und noch nicht fern genug, um ein objektives Drama zu schaffen; in der Musik aber erfolgte der Niederschlag meiner Stimmung, in der sich die Ermanarichsage völlig inkarniert hatte. Trotzdem schwankte ich noch, wie ich das Produkt taufen sollte, ob "Ermanarichsinfonie" oder "Serbia", da ich den Plan hatte, ähnlich wie in der "Hungaria" Liszts geschehen, die Gefühlswelt eines slawischen Volkes in einer Komposition zu umfassen, da ich ferner den Gefühlsgang, der die Schöpfung durchwogte, noch nicht unparteiisch sezieren konnte und nur ahnte, was ich darin ausgesprochen. Es ist jetzt gerade ein Jahr danach, wo ich genau die Stimmungen, die Wechsel der Gefühle sich in ihr drängen und stoßen finde, oft unvermittelt und herbe, die die Hauptpersonen des Ermanarichstoffes durchwühlen und damals meine Seele erfüllten. Jetzt bei der Revision des Bruchstückes habe ich das in der ersten Fassung oft nur Angedeutete in schärferer Fassung wiederzugeben gesucht. Einzelne fehlende Momente habe ich eingefügt,4 insbesondere ist das Ende ziemlich ganz neu und seiner Wildheit nach bei weitem alles überbietend, was mir in der ersten Fassung vorlag. Allerdings, es sind keine Goten, keine Deutschen, die ich gezeichnet, es sindich wage es zu behauptenUngargestalten; der Stoff ist aus der germanischen Welt in die ungarischen Pußten, in die ungarischen Glutseelen getragen. Und das ist der Hauptfehler des Ganzen. Sodann fehlen auch den Personen jene urgermanischen, mächtigen Züge und Eigenschaften, die Gefühle sind mehr wühlend, modernisiert, zu viel Reflexion und zu wenig Naturkraft. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen werde ich möglichst deutlich das aussprechen, was mir jetzt, als ich das Bruchstück genauer durchforschte, als die Fäden des Verständnisses in die Hände fielen. A Heroisch-düster B Lebhafter. Dreivierteltaktrhythmus C Immer feuriger D Mit Hast E Großartig F Lind und innig G Mit starkem Ausdruck. Taktfrei zu spielen H Im Takt. Lebhaft I Leidenschaftlich drängend K Ruhiger. Allmählich schneller L Sehr stürmisch M pp. Immer schwächer N Fragend. Sehr schnell O ffff. Impetuoso Tremolo Langsam wie träumend Recitativisch Sehr schnell der Rhythmus der Hochzeitsklänge klingt verzerrt, wie aus wildem Traum auftauchend, in seiner Seele Tiefe. Ein Geiger nimmt das Thema wehmütig, doch slawisch trotzig auf. Ein letzter Aufschrei Ermanarichvoll ungarischer Wildheitund der erste Teileines Dramas ist ausgespielt, alles ist stumm, tot, harrend auf Erlösung. Ich füge nun noch einige Anmerkungen über das Formelle hinzu. Der ganze Wechsel der Stimmungen ist sonderbarerweise in ganzen Taktteilen ausgedrückt, indessen sind für den Vortrag eine Menge wechselnde Rhythmen hervorzuheben. Dreivierteltaktrhythmus ist an mehreren Stellen. An andern wieder weder Rhythmus, noch Takt, es ist ausdrücklich bemerkt, daß sie taktfrei zu spielen sind. Einigemal ist das richtige Tempo in seinem raschen Wechsel sehr schwer zu treffen. So zum Schluß, wo ein Hineinleben in den fürchterlichen Vorgang allein das richtige Spiel lehren kann. Schwer hervorzuheben ist insbesondere die Ironie des Hochzeitsmarschmotivs. Unmittelbar vor dem Nationalmarsch im Anfang sind mehrere sehr kühne Übergänge. Von Ges-dur plötzlich nach g cis e a, dann von Ges-dur in d-moll. Der Weltschmerz wird durch seltsame Harmonien eingeführt, die sehr herbe und schmerzlich sind und mir anfangs durchaus mißfielen. Jetzt erscheinen sie mir durch den Gang des Ganzen etwas wenigstens gemildert und entschuldigt. Das Drängen und Jagen der Leidenschaft zuletzt mit ihren plötzlichen Übergängen und stürmischen Ausbrüchen strotzt von harmonischen Ungeheuerlichkeiten, über die ich nicht zu entscheiden wage. Das Entsetzlichste ist der Sprung aus Des-dur in ffff f as ces d mit a im Baßtremolo. Das folgende d-moll ist mysteriös, besonders stört das tiefe es darin. So liegt das ganze Bruchstück denn vor mir, abschreckend durch seine Wildheit und Herbe und wartend auf die Lösung, auf Befreiung von der drückenden Schwüle, die auf dem Schlusse lastet. Die Beendigung des Ganzen ist meine nächste größere Aufgabe; ihre Beurteilung wird dem Chronisten des nächsten Quartals zukommen,6 ebenso wie eine Würdigung des Ganzen, unparteiischer als die meinige sein kann. Fußnoten s. English Translation. |