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Juli 1879 41 [1-75] 41 [1] Ein Philosoph, der des Längeren einmal in der genannten Weise gelobt wurde, schrieb während dem mit seinem Stab in den Sand: Eheu, Triviam deam fortassis amplexus sim? 41 [2] Das anziehendste Buch der griechischen Litteratur: Mem Socr. [Vgl. Xenophon, Memorabilia Xenophōntos Apomnēmoneumatōn biblia tessara = Commentarii dictorum factorumque Socratis ad defendendum eum scripti a Xenophonte libris IV: cum Apologia Socratis. Fide librorum editorum scriptorumque et virorum doctorum coniecturis annotationibusque post Schneiderum et Coraium recensuit et interpretatus est Fridericus Augustus Bornemann. Lipsiae: Sumtibus librariae Hahnianae, 1829.] 41 [3] Man erstrebt Unabhängigkeit (Freiheit) um der Macht willen, nicht umgekehrt. 41 [4] Der überwache allzuglänzende Blick und die zitternde HandTristan. 41 [5] Durch die Zwecke wird das Leben ganz unsinnig und unwahr. Man arbeitet, um sich zu nähren? Man nährt sich, um zu leben? Man lebt, um Kinder (oder Werke) zu hinterlassen. Diese ebensousw. und zuletzt salto mortale. Vielmehr ist im Arbeiten Essen usw. immer auch das Ende da: mit dem Zweck knüpfen wir 2 Enden aneinander. Ich esse um zu essen und um zu leben d. h. um wieder zu essen. Die Handlung will wiederholt werden, weil sie angenehm ist. Alles Angenehme ist das Ende. Sind die Pflanzen da, um von den Thieren verspeist zu werden? Es giebt keinen Zweck. Wir täuschen uns. Ich tauche die Feder ein um 41 [6] Climata hat man erwogen, aber Tag und Nacht überhaupt usw. 41 [7] Auch dem Frömmsten ist sein tägliches Mittagsessen wichtiger als das Abendmahl. 41 [8] In den Gewerben ahmen wir die Natur nach und wiederum sind wir ergötzt, wie es scheint, daß die Natur uns nachgeahmt hat, wie in dem kleinen Stiel der Alpenrosenblüthe, der aus gelber und rother Seide geflochten scheint. 41 [9] Socialisten hülfen zum Siege der Demokratie. 41 [10] ;g:gFF< ungeziemende Gleichsetzung. 41 [11] Wenn der Gleiche dem Gleichen Hülfe erweist, ist es kein Mitleid, sondern Pflichtdie Gleichsetzung hergestellt. Wenn der Starke dem Schwachen hilft, ohne Vortheilerbarmt er sich? 41 [12] Stufen: | | den Ruf mehren 1) mit sofortigem Nutzen im Auge 2) ohne dies, aber als Capital 3) gegen den sofortigen Nutzen in Hinsicht auf kommenden 4) gegen und ohne Eitelkeit. |
41 [13] Alle kleinen Dinge sind einst groß gewesen. 41 [14] Die Fremde statt zu kommen, reiste wieder ab. 41 [15] Das Gehirn im Wachsen. Nur die jüngsten Theile haben ein begleitendes Bewußtsein. Die älteren arbeiten ohne diese Laterne der Controle. Das Ziel: der Mensch eine große unbewußte Zweckthätigkeit, wie die Natur der Pflanze. 41 [16] Mädchen die wie Turteltauben lachen. 41 [17] Zur Zeit der lauen Februarwinde, wenn die kleinen übereisten Gewässer unter den Füßen der Kinder knistern. 41 [18] Ein Rädergleis voll Wasser. 41 [19] Ein Mittagsläuten vom Dorfthurm, bei dem Frömmigkeit und Hunger zugleich wachwerden. 41 [20] Wie die Sonne in einem Tannenwald, warme Wohlgerüche und reine Kühle des Windhauchs. 41 [21] Mücken bewölkter Himmel und feuchtwarme Luftmeine Feinde. Felsen Wind Nadelhölzer Heidegräser und viel Luftmeine Freunde. 41 [22] Sphynx, Temistocles, Mythe, Paradoxe, Sophismus, Styl, Literatur usw. [Vgl. Karl Hillebrand, Zeiten, Völker und Menschen. Bd.2. Wälsches und Deutsches. Berlin: R. Oppenheim, 1875:180. S. Mitte April 1878: Brief an Karl Hillebrand: "Verargen Sie dem Philologen eine Pedanterie nicht: es heißt 'das Sophisma,' nicht 'der Sophismus'—ich bitte um Verzeihung! —"] 41 [23] 41 [23] Carey 512. Concurrenzihre Nützlichkeit, obwohl grundböse. Geht gegen das Gleichgewichtaber die andere Gruppe hat den Vortheil des Kampfes. Der Dritte, der den Esel fortführt. Sind aber Engländer, so ist der Dritte selber der Esel, der fortgeführt wird. [Vgl. Henry Charles Carey, Lehrbuch der Volkswirthschaft und Socialwissenschaft. Übersetzt von Dr. Karl Adler. Berlin: Wien: Braumüller, 1870:512.] 41 [24] Schläfrig und zufrieden wie die Sonne in den Gassen einer kleinen Stadt am Feiertage. 41 [25] TerzenOktaven: Melodie Kindheitlernenerste Magie überall wo Wehmuth, wird ein Verlust empfunden, aber ein halbes Wiederfinden damaliger Empfindung. Alpenglühen der Empfindung wenn die Sonne hinunter ist Sonntag-Nachmittag-Einsam[keit] ebenso zu erklären. Das Kind hat die großen Entzückungen an den einfachen Dingen voraus. 41 [26] Der Empfindsame sehr frommein Schuft. 41 [27] Soldat Kugel Dämmerung 41 [28] Eine gew[isse] Albernheit in den Begleitungsfiguren der rhythmischen Cadenzen hebt diese Wirkung nicht auf, mitunter scheint sie dieselbe sogar zu verst[ärken]. 41 [29] Bei der Nähe des Gewitters, wenn das graue Gebirge furchtbar und tückisch blickt. 41 [30] Durch Jean Paul ist Carlyle zu Grunde gerichtet und zum schlechtesten Schriftsteller Englands geworden: und durch Carlyle wieder hat sich Emerson, der reichste Amerikaner, zu jener geschmacklosen Verschwendung verführen lassen, welche Gedanken und Bilder händevoll zum Fenster hinauswirft. 41 [31] Schluss: Werden wir, was wir noch nicht sind: gute Nachbarn der nächsten Dinge. 41 [32] Die Trostmittel des Christenthums sind bald eine Antiquität; ein Oel, das sich verrochen hat. Dann treten die Trostmittel der antiken Philosophie wieder hervor, in neuem Glanzeund unsere neue Trostmittelgattung kommt hinzu, die historische. 41 [33] Die meisten Menschen bäumen sich wider den Tröstenden eine Zeitlang auf und übertreiben die Tiefe und Unbändigkeit ihres Schmerzes, in Worten und Wehklagen. Sie finden es unerträglich, daß der Tröstende anzunehmen scheint, er werde leichter mit diesen Unfällen Verlusten usw. fertig werden: sie deuten ihm an, dies könne nur darin seinen Grund haben, daß er nicht tief genug empfindet und in der Fähigkeit tief zu empfinden unter ihnen stehe. In Wahrheit empfinden sie kein Haarbreit tiefer als jener empfinden würde, oft weniger. Sie setzen also seiner vermeinten Überlegenheit den Schmerz zu besiegen, eine andere entgegen. 41 [34] Der klassische Geschmacknichts begünstigen, was die Kraft der Zeit nicht zu reinem und mustergültigem Ausdruck zu bringen vermöchte, also ein Gefühl der der Zeit eigenthümlichen Kraft und Aufgabe. 41 [35] In Ansichten über Kunst wenigstens wollen wir uns die Leidenschaftlichkeit und Roheit verbitten: auch das blinde Parteiwesen. 41 [36] Der Häßliche und Unansehnliche ist der Mode gram, weil sie nicht an ihn denkt. Er muß sich verkleiden. 41 [37] Nicht das ist das Kunststück, ein Fest zu veranstalten, sondern solche zu finden welche sich an ihm freuen. Meistens ist ein Fest ein Schauspiel ohne Zuschauer, ein Tisch voller Speisen ohne Gäste. Wer mitspielt, Fürsten und Soldaten, haben ihre Pflichten und Ermüdungen dabei, und die Neugierde des Gassenjungen ist die einzige lebendige Zuthat. 41 [38] Backwerk Zucker eine Mahlzeit, eine Treppe. 41 [39] Gegen die Küche des prix faitdes Hotels. 41 [40] Die strahlende gelbe Wiese, und über ihr dunkle braungrüne Waldzüge, über ihnen aber, in gewaltiger Steigerung derselben Berglinien, die Hochgebirgskronen, bläulich grau und schneeweiß schimmernd. 41 [41] Das Große an den Alten ist ihr universaler Trieb, ihr Auge und [ihre] Schätzungen für alles, ihr geringer nationaler Accent (Griechen und Römer). 41 [42] Zur Beendigung des Kampfes ums Dasein entsteht die Gemeinschaft. Das Gleichgewicht, ihr Gesichtspunkt. 41 [43] Die Gemeinheit entsteht erst in der Gemeinschaft. Thukydides: nh@<gk`< gegen das Glänzende, zu schwärzenalso bei Gleichen. 41 [44] Natur muß ich allein haben, um sie mir nahe zu bringen. Im Verkehre mit Menschen macht sie mich ungeduldig: und wird mir immer fremder. Menschen berauschen mich: für die Natur muß ich ganz mein Gleichgewicht gefunden haben. 41 [45] Die Menschen verkehren zu viel und büßen dabei sich ein. Wer wenig hat, dem wird durch Gesellschaft auch noch das W[enige] gen[ommen] w[as er] h[at]. 41 [46] Wer nicht bei Zeiten lernt, 2 Stunden des Tags allein sein zu können, ohne Geschäft und Pflicht und (die ekelhaften Halbbeschäftigungen des Dampfblasens und schluckweise-Trinkens)der 41 [47] Vielleicht sind die Götter noch Kinder und behandeln die Menschheit als Spielwerk und sind grausam ohne Wissen und zerstören in Unschuld. Werden sie älter Vielleicht kümmern sich die Götter nicht um uns, wie wir nicht um den Bau der Ameisen, obwohl 41 [48] Gründe an Stelle der Gewohnheiten, Absichten an Stelle der Triebe, Erkenntnisse an Stelle des Glaubens, geistigseelische Freudigkeit an Stelle häufiger Einzel-Genüsse, Gleichgewicht aller Bewegungen und die Lust an dieser Harmonie an Stelle der Aufregungen und Berauschungenund später alles wieder unbewußt werdend!! 41 [49] Dieser Dialog ist nicht von mir. Er wurde mir eines Tages übersandt, mit der einzigen Bemerkung, daß ich ihn lesen und weitergeben dürfe. Das Erstere that ich, das Andere thue ich. 41 [50] vom Heil der Seele würde keine Rede sein, der Staat würde nicht soviel Noth abzuhelfen haben und kein solches Kopfzerbrechen machen. 41 [51] Gegen Wagner bekommt man leicht zu sehr Recht. 41 [52] Wenn die Schätzung z. B. des Uneigennützigen erst festgestellt wurde (ob auch irrthümlich), so wächst sie. 41 [53] Die verschiedenen Arten der Phantasie haben eine verschiedene Kraft zu vergrößern. Phantasie die Furcht sehr groß machenddaher spekulirt auf sie zu allererst der Mächtig-sein-wollende. 41 [54] Etwas das wir wissen, Scheint uns sehr dadurch im Werthe gestiegen. Eine Zeitlang 41 [55] Ein Gang am Hafen von Neapel macht den Geist frei und bringt ihn den Alten näher. Fruchtbarkeit Heiterkeit und die Pest oder Kriege 41 [56] Die Mittler-Moral. Übertragung der M[ittler-]M[oral] und ebenso der Gleichgewichts-Moral auf die Seele. 41 [57] Gnade ursprünglich ein Zeichen der Verachtung. 41 [58] Die Uneigennützigkeit kommt in Ruf durch den Mittler, wenn der Haß zwischen zwei wüthet. In Wahrheit ist der M[ittler] nicht uneigennützig. 41 [59] Ein Ding, dem ein Begriff genau entspricht, wäre ohne Herkunft. Platos Irrthum von den ewigen Ideen. 41 [60] Es ist viel Charakter nöthig, die Sache des guten Geschmacks und der Vernunft aufrecht zu erhalten, wenn die großen Talente sich alle auf die entgegengesetzte Seite stellen. 41 [61] Die größte Absicht der Kunst sollte nicht durch die Schwachen vertreten werden. 41 [62] nach der biblischen Moral, nach der dem, der wenig hat, auch noch das Wenige genommen wird, das er hat. 41 [63] Unsere Schwarzseherei, unsere Sentimentalität in Tragödie und Lyrik ist Ermüdung des Kopfes, bei Völkern und Einzelnen. Nervenschwäche. 41 [64] Ein langer Geschmack im Munde. 41 [65] Unsere Aufgabe, alles Angeerbte Herkömmliche Unbewußt-Gewordene zu inventarisiren und zu revidiren, auf Ursprung und Zweckmäßigkeit zu prüfen, vieles zu verwerfen, vieles leben zu lassen. 41 [66] Der Seidenwurm, dem man das Spinnen nicht verbieten soll. [Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Torquato Tasso, V 2, 3083-3084. In: Goethe's sämmtliche Werke in vierzig Bänden. Bd. 13. Stuttgart; Augsburg; Tübingen: J. G. Cotta, 1856. "Verbiete du dem Seidenwurm, zu spinnen; / Wenn er sich schon dem Tode näher spinnt."] 41 [67] Das Ideale bei Schiller Humboldteine falsche Antike wie die Canovas, etwas zu glasirt, weich, durchaus der harten und häßlichen Wahrheit nicht ins Angesicht zu sehen wagend, tugendstolz, vornehmen Tones, affektvoller Gebärde, aber kein Leben, kein ächtes Blut. 41 [68] Ich muß weinen, wenn ich Goethes Worte auf Schiller und hinter ihm im wesenlosen Scheine usw. lese. Warum? [Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Epilog zu Schillers Glocke. In: Goethe's sämmtliche Werke in vierzig Bänden. Bd. 6. Stuttgart; Augsburg: J. G. Cotta, 1856:423.] 41 [69] [Wanderer]Dies ist mir zu flach. SchattenSoll denn ein Schatten selbst immer tief sein! Denke doch, wie dünn er ist. WandererIch wußte bisher nicht, daß die Dicken mehr Vorrecht auf Tiefe haben als die Dünnen. 41 [70] Anekdote vom Cardinal und dem Nachtstuhl. 41 [71] [Du kannst nicht] geläufig im Herzen lesen, aber liebst es, zu buchstabiren, und mitunter kommt das rechte Wort heraus. 41 [72] Der Wanderer und sein Schatten. Ein Geschwätz unterwegs. 41 [73] Rivarol. [Antoine de Rivarol (1753-1801): französischer Schriftsteller.] Fontenelle. [Bernard Le Bovier de Fontenelle, (1657-1757): französischer Schriftsteller.] Beyles Briefe. [Vgl. Stendhal (Henri Beyle), Correspondance inédites. Précedée d'une introduction par Prosper Mérimée de l'Academie française. Ornée d'un beau portrait de Stendhal. Paris: Michel Lévy frères, 1855.] Mérimée ganz. [Prosper Mérimée (1803-1870): französischer Schriftsteller.] 41 [74] Wenn 1 mal fast = 0mal, 10mal = 100mal. 41 [75] Jeden Tag eine Stunde: Gesundheitslehre.
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