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Herbst 1873—Winter 1873-74 30 [1-38]
30 [1] Vom Nutzen und Nachtheil der Historie. 30 [2] Die Heerde weidet an dem Menschen vorüber: sie weiss nicht was gestern und heute ist, springt umher frisst ruht verdaut springt wieder und so vom Morgen bis zur Nacht und von Tag zu Tage, kurz angebunden mit ihrer Lust und Unlust, nämlich an den Pflock des Augenblicks und desshalben weder verdrossen noch überdrüssig. Dies zu sehen geht dem Menschen hart ein, da er des Thieres sich überhebet und doch nach seinem Glück trachtet; denn das will er, weder überdrüssig noch traurig leben, gleich dem Thier: und will es doch umsonst und ohne Hoffnung. Ach wie muss ich dich beneiden! Nicht nur, weil frei du scheinest Beinah von allen Leiden, Mühsal, Verlust, die schlimmste Beängstigung im Augenblick vergessend Mehr noch weil nie der Überdruss dich quält! [Vgl. Giacomo Leopardi, Nachgesang eines Hirten in Asien. In: Gedichte. Verdeutscht in den Versmaßen des Originals von Robert Hamerling. Hildburghausen: Verl. d. Bibliogr. Instituts, 1866:94.]Wir seufzen über uns, dass wir das Vergangne nicht los werden können und seine Kette immerfort nachschleppen müssen; während es uns scheinen will als ob das Thier glücklich sei, weil es nicht überdrüssig wird, sofort vergisst und fortwährend den erlebten Augenblick in Nebel und Nacht zurückweichen sieht. So geht es auf in der Gegenwart, wie eine Zahl in einer anderen ohne Rest aufgeht und erscheint ganz und gar als das, was es in jedem Moment ist, ohne alle Schauspielerei und absichtliches Verbergen. Wir dagegen leiden alle an dem dunklen und unauflöslichen Reste des Gewesenen und sind etwas anderes als was wir zu sein scheinen: so dass es uns mit der Empfindung des verlornen Paradieses ergreift, die weidende Heerde oder, in vertrauterer Nähe, das Kind zu sehen, das in allzukurzer und allzuseliger Blindheit zwischen den beiden Thoren der Vergangenheit und Zukunft spielt. Wer möchte sein Spiel stören und es aus der Vergessenheit herauf rufen! Wir wissen ja, dass mit dem Worte es war der Kampf und das Leiden beginnt und das Leben als ein nie vollendetes Imperfectum inaugurirt wird: wenn zuletzt der Tod das ersehnte Vergessen bringt, aber die Gegenwart und das Dasein selbst dabei unterschlägt, so drückt er eben damit das Siegel auf jene Erkenntnissdass nämlich das Dasein nur ein continuirliches Gewesensein, ein ewiges Imperfectum ist, ein Ding, das sich fortwährend selbst widerspricht, sich verneint und aufzehrt. Wir müssen also das Vergangne betrachten und erleidendas ist nun einmal Menschenloos. Unter diesem harten Joche hart zu werden soll keinem erspart sein; und wenn Einer sehr hart geworden ist, bringt er es vielleicht so weit, das Menschenloos sogar wegen jenes Nicht-Vergessen-Könnens zu preisen, eben deshalb, weil das Vergangne in uns nicht sterben kann und uns wie ein eingeimpfter fremder Tropfen Blutes rastlos weiter treibt, die ganze Stufenleiter alles dessen hinauf, was die Menschen gross erstaunlich unsterblich göttlich nennen. Müssen wir aber das Vergangne betrachten, so giebt es jedenfalls noch eine Wahl zwischen zwei verschiedenen Arten, sich mit ihm zu schaffen zu machen, die ich klärlich und rund als die historische und die unhistorische bezeichnen will: nur möge man nicht meinen, dass die erstere mit diesem Namen gelobt oder etwa gar dass ich die andere, die unhistorische mit dem ihrigen getadelt haben wolle. Was wäre dies anderes als eine Verwechslung der unhistorischen Art mit der schlecht historischen, unter der aber doch nur die historische Betrachtungsart im Zustande der Unreife oder der Entartung verstanden werden darf. Sondern jene ist sui generis und sui juris; und zwar hat sie ein eben so gutes Recht als die historische, obschon die einzelnen Zeiten und Völker, je nachdem sie in der einen oder der anderen befangen sind, immer nur eine von beiden Arten gelten lassen, die andere gar nicht begreiflich finden und höchstens als ein Curiosum stehen lassen; wie zum Beispiel unserer Gegenwart die unhistorische Betrachtungsart im Ganzen und Grossen fremd und unverständlich ist und deshalb als verwerflich oder mindestens als ein wenig verrückt zu gelten pflegt. Fragen Sie sich selbst, fordert uns David Hume auf, oder jeden ihrer Bekannten, ob sie die letzten zehn oder zwanzig Jahre ihres Lebens noch einmal zu durchleben wünschen. Nein! Aber die nächsten zwanzig werden besser sein, sagen sie And from the dregs of life hope to rec[e]ive, What the first sprightly running could not give.
[Vgl. John Dryden, Aureng-Zebe. In: David Hume, Gespräche über natürliche Religion. Nach der zweiten englischen Ausgabe. Nebst einem Gespräch über den Atheismus von Ernst Platner. Leipzig: Weygand, 1781:174.]Die, welche so antworten, sind die Historischen; der Blick in die Vergangenheit drängt zur Zukunft hin, feuert den Muth an, es noch länger mit dem Leben aufzunehmen, entzündet die Hoffnung, dass das Rechte noch komme, dass das Glück hinter dem Berge sitze, auf den wir zuschreiten. Denn die historischen Menschen glauben, dass der Sinn des Daseins im Processe liege, sie schauen nur deshalb rückwärts, um an der Betrachtung des bisherigen Processes die Gegenwart verstehen und die Zukunft heftiger begehren zu lernen. Jene Frage aber, deren erste Beantwortung wir gehört haben, kann auch einmal anders beantwortet werden: zwar im Resultat vielleicht wiederum mit einem Nein! Wir wollen die zehn Jahre nicht zum zweiten Male durchleben. Aber mit welcher Begründung? Mit der Begründung des un(über)historischen Menschen, welcher nicht im Processe das Heil sieht, sondern an jedem Menschen und jedem Erlebniss und wiederum in jedem durchlebten Zeitraum, in jedem Tage, an jeder Stunde zu erkennen meint, wozu überhaupt gelebt wird: so dass für ihn die Welt in jedem einzelnen Augenblicke fertig ist und ihr Ende erreicht. Was können zehn neue Jahre lehren, was die 10 alten, wenn sie noch einmal durchlebt würden, nicht bereits zu lehren vermochten! Ob nun der Sinn der Lehre Glück oder Resignation oder Tugend oder Busse ist, darüber sind die unhistorischen Menschen mit einander nie einig geworden, aber allen historischen Behandlungsarten des Vergangnen entgegen kommen sie zur vollen Einmüthigkeit des Satzes: das Vergangne und das Gegenwärtige ist eins und dasselbe, nämlich in aller Mannichfaltigkeit gleich und als Allgegenwart unvergänglicher Typen ein stillstehendes Gebilde von unverändertem Werthe und ewig gleicher Bedeutung. Wie die Hunderte verschiedener Sprachen denselben typisch festen Bedürfnissen des Menschen entsprechen, so dass einer, der diese Bedürfnisse verstände, aus allen Sprachen nichts Neues zu lernen vermöchte: so erleuchtet sich der unhistorische Mensch alle Geschicke der Völker und der Einzelnen von innen heraus, hellseherisch den Ursinn der wechselnden Hieroglyphen errathend und allmählich sogar der immer neu hinzuströmenden Zeichenschrift ausweichend: denn wie sollte er es, im unendlichen Überfluss des Geschehenden, nicht zur Sättigung bringen! Solche Betrachtungsart ist bei uns selten und anstössig, denn wir fordern gerade Unersättlichkeit in der Betrachtung des Geschehenden und nennen die Völker, die mit diesem unersättlichen Drange weiter leben und, wie man sagt, immer fortschreiten, im ehrenden Sinne die geschichtlichen Völker; ja wir verachten die andersgesinnten, z. B. die Inder, und pflegen uns ihre Art aus heissem Clima und allgemeiner Trägheit, vor allem aus der sogenannten Schwäche der Persönlichkeit abzuleiten: als ob unhistorisch leben und denken immer das Zeichen der Entartung und der Stagnation sein müsse. Es quält unsre Gelehrten, mit der Herstellung einer indischen Geschichte so gar nicht fertig werden zu können: sie werden selber um ihre Ableitung der Litteraturgattungen nach occidentalischem Schema misstrauisch und zweifeln selbst in solchen Allgemeinheiten, ob z. B. eine so mächtige und ausgebildete Philosophie wie die Sankhya-Philosophie vor- oder nach-buddhaistisch sei: solcher Zweifel und Misserfolge wegen rächen sie sich dann durch jene Missachtung an so querköpfigen trägen und stagnirenden Völkern. Die historischen Menschen merken nicht, wie unhistorisch sie sind und wie auch ihre Beschäftigung mit der Geschichte nicht im Dienste der Erkenntniss, sondern des Lebens steht. Vielleicht betrachten hinwiederum die Inder unsre Gier nach dem Geschichtlichen und unsre Schätzung der geschichtlichen Völker und Menschen als ein occidentalisches Vorurtheil, oder sogar als eine Krankheit der Köpfe: haben nicht so unhistorisch wie wirwerden sie sagen, auch alle jene Männer gelebt, die selbst ihr die Weisen nennt? Oder war Plato kein unhistorischer Mensch? Um einmal von euren gerühmten Griechen nur Einen, und nicht ganze Generationen, gegen euch vorzuführen. Und glaubt ihr im Ernste, dass Jemand durch ein Jahrtausend geschichtlicher Dinge um einen tüchtigen Schritt der Göttin Weisheit näher kommen müsse, als ein andrer, der von allen diesen Dingen nichts erfahren hat? Vielleicht ist sogar eure jetzige Manier, Geschichte zu treiben und zu fordern, erst recht der Ausdruck der sogenannten schwachen Persönlichkeit; wenigstens scheint uns gerade an euren starken Persönlichkeiten, euren historischen Grössen, herzlich wenig von dem specifischen historischen Sinn, von der geschichtlichen Objectivität, von der zur Pflicht gewordnen Belehrtheit in Jahreszahlen, Schlachtennamen und Völkergeistern sichtbar zu werden: welche Eigenschaften zu verstecken sie doch keinen Grund hatten, da sie unter euch und nicht unter uns lebten. Doch lassen wir die Inder zanken: mögen sie weiser sein als wir, wir wollen aber heute einmal unserer Unweisheit recht froh werden und uns als den Thätigen und Fortschreitenden einen guten Tag machen. Denn es soll über den Nutzen der Historie nachgedacht werden und zwar darüber, ob wir bereits den grösstmöglichen Nutzen, der von ihr zu gewinnen ist, gewonnen haben. Es lebe das occidentalische Vorurtheil für das Historische: sehen wir nur zu, dass wir, bei dem Glauben an den Fortschritt, auch innerhalb jenes Vorurtheils fortschreiten, nämlich jedenfalls irgendwohin, wo wir noch nicht standen. Den grösstmöglichen Nutzen werden wir aber aus der Historie nur dann ziehen können, wenn wir uns über den Schaden, den sie etwa zufügen könnte, so gut als möglich zu verständigen wissen. Denn wenn man an jeder hypertrophischen Tugend bekanntlich nicht nur leiden, sondern auch zu Grunde gehen kann, so wird es der Würde der Historie schwerlich Abbruch thun, zu wissen, dass sie auch schaden kann, ja dass es möglich ist an ihr zu leiden und zu Grunde zu gehen. Soll man sich nun deshalb vor der Hypertrophie jeder Tugend hüten? Soll man auf den Nutzen der Historie verzichten, weil man Gefahr läuft bei einiger Hypertrophie derselben an ihr zu leiden? Oder spornt es vielleicht sogar den Muthigen an, zu erkennen, dass man an ihr und in ihr untergehen kann? Ist zuletzt es nicht das Ziel jedes Heroismus, im Untergang den grösstmöglichen Gewinn zu finden? Entscheide man sich, wie man wolle, bezweifle man die Hypertrophie der Historie, leugne man überhaupt, dass Historie eine Tugend seiman wird damit verrathen, wie weit und wie tief man denkt, ja ob man überhaupt denkt: inzwischen aber wollen wir darüber berathen, in wie fern die Historie (das heisst, mit Erlaubniss meiner Leser: jede Beschäftigung mit Geschichte) auch schaden kann. 30 [3] Kurzschreiben. Es ist schwer, kurz zu schreiben, sagt Winckelmann, auch nicht eines Jeden Werk; denn man kann in einer völligern Art zu schreiben nicht so leicht beim Wort genommen werden. Derjenige, der an Jemand schrieb: ich hatte nicht Zeit diesen Brief kürzer zu machen, erkannte, was die kurze Schreibart erfordert. [Vgl. Wilhelm Roscher, Leben, Werk und Zeitalter des Thukydides: mit einer Einleitung zur Aesthetik der historischen Kunst überhaupt. In: Klio. Beiträge zur Geschichte der historischen Kunst. Bd. 1. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1842:349.] 30 [4] Ohne jedes Pathos. Fast keine Perioden. Keine Fragen. Wenig Bilder. Alles sehr gedrängt. Friedfertig. Keine Ironie. Keine Klimax. Das Logische betont, doch sehr kurz. 30 [5] Was ist Weisheit? Im Gegensatz zur Wissenschaft. | Vorrede. Giebt es jetzt ein Streben nach Weisheit? Nein. | Haupttheil. Ist ein Streben nach Weisheit nöthig, ein Bedürfniss? Nein. Aber vielleicht wird es bald einmal Bedürfniss sein. Wann? Schilderung. | Nachwort. |
30 [6] Bildung steht im Widerspruche zur Natur eines Menschen. Was ergiebt sich, wenn man die Natur sich selbst entwickeln liesse, das heisst sie selbst unter lauter zufälligen Einwirkungen: sie würde auch gebildet, zufällig gebildet und geformt, aber nach der grenzenlosen Unvernunft der Natur, unter zahllosen Exemplaren ein schönes Exemplar. Sonst unzählige zerstörte Keime, zerstört entweder im Zwiespalt der innern Kräfte oder durch Einwirkung von aussen. Untergang entweder aus innerem Zwiespalt (während die Kräfte erstarken) oder von aussen her, durch Mangel an Lebensluft etc. Neigung der Zeit für die starken Einseitigkeiten, weil sie doch wenigstens noch Lebenskraft der Natur verrathen: und allerdings ist Kraft der Natur die Voraussetzung. Schwächliche Naturen soll man gar nicht in den Erziehungsplan einrechnen; sie werden weder im Guten noch im Schlimmen viel zu bedeuten haben. 30 [7] Es giebt zwei Maximen im Betreff der Erziehung: 1) man solle die Stärke eines Individuums bald erkennen und dann darauf hin alles richten, diese Stärke auf Kosten aller übrigen geringeren Kräfte auszubilden: so dass die Erziehung dann eben Leitung jener Kraft wird. 2) man solle alle vorhandenen Kräfte heranziehn und in ein harmonisches Verhältniss setzen, also die geringern, gerade der Überleitung [bedürftigen], kräftigen, die überstarken schwächen. Woran soll man nun einen Maassstab haben? Das Glück des Einzelnen? Der Nutzen, den er dem Gemeinwesen erweist? Die partiellen sind nützlicher, die harmonischen sind glücklicher. Sofort entsteht diese Frage von Neuem: eine grosse Gemeinschaft, ein Staat, ein Volk: soll es eine partielle Kraft besonders ausbilden oder viele Kräfte? Im ersten Falle wird der Staat die partielle Ausbildung der Individuen nur ertragen, wenn die partiellen Eigenschaften in seinem Ziele liegen, d. h. er wird nur einen Theil der Individuen nach ihrer Stärke erziehen, bei den andern wird er nicht mehr nach Stärke und Schwäche sehen, sondern dass die bestimmte Eigenschaft, sei sie ursprünglich noch so schwach, jedenfalls entwickelt werde. Will er eine Harmonie, so kann er dies immer noch auf zwei Weisen: entweder durch harmonische Ausbildung aller Individuen, oder eine Harmonie der partiell ausgebildeten Individuen. Im letzten Falle wird er aus lauter widerstreitenden machtvollen Kräften eine Temperatur erzeugen, d. h. er muss die Stärken in ihrer partiellen Ausschliesslichkeit abhalten von der Feindseligkeit gegen einander, von der gegenwärtigen Zerstörung, er muss alle binden durch ein gemeinsames Ziel (Kirche, Staatsglück usw.). Der letzteren Art ist Athen, der ersteren Sparta. Die erstere Art ist viel schwieriger und künstlicher, sie ist der Entartung am meisten ausgesetzt, sie bedarf eines überwachenden Arztes. In unserer Zeit ist alles wüst und unklar. Der moderne Staat wird immer spartanischer. Es wäre möglich, dass die grössten und edelsten Kräfte durch Verkümmern und Überleiten versiegen und absterben. Denn ich bemerke, dass gerade die Wissenschaften und die Philosophie selbst dies vorbereiten. Sie sind keine Bollwerke mehr, weil sie kein eignes Ziel mehr haben dürfen: d. h. weil kein Gemeinwesen ihr Wesen mit in sein Ziel aufnimmt. So wäre denn geboten die Gründung eines Kulturstaates im Gegensatz zu den lügnerischen, die sich jetzt so nennen, als einer Art von Refugium der Kultur. 30 [8] Das Glück des Einzelnen im Staate wird untergeordnet dem Gesammtwohl: was heisst das? Nicht dass die Minoritäten benutzt werden zum Wohle der Majoritäten. Sondern dass die Einzelnen dem Wohle der höchsten Einzelnen untergeordnet werden, dem Wohle der höchsten Exemplare. Die höchsten Einzelnen sind die schöpferischen Menschen, sei es die besten moralischen oder sonst im grossen Sinne nützlichen, also die reinsten Typen und Verbesserer der Menschheit. Nicht die Existenz eines Staates um jeden Preis, sondern dass die höchsten Exemplare in ihm leben können und schaffen können, ist das Ziel des Gemeinwesens. Das liegt auch der Entstehung der Staaten zu Grunde, nur dass man oft eine falsche Meinung hatte, was die höchsten Exemplare seien: oft die Eroberer usw. Dynasten. Ist die Existenz eines Staates nicht mehr zu erhalten, so dass die grossen Individuen in ihm nicht mehr leben können: so entsteht der schreckliche Noth- und Raubstaat: wo die stärksten Individuen sich an Stelle der besten setzen. Aufgabe des Staates nicht dass möglichst viele darin gut und sittlich leben: auf die Zahl kommt es nicht an: sondern dass überhaupt in ihm gut und schön gelebt werden könne: dass er die Basis einer Kultur abgäbe. Kurz: die edlere Menschlichkeit ist das Ziel des Staates, sein Zweck liegt ausser ihm, er ist Mittel. Jetzt fehlt das, was alle partiellen Kräfte bindet: und so sehen wir alles feindselig gegen einander und alle edlen Kräfte in gegenseitigem aufreibendem Vernichtungskrieg. Dies soll an der Philosophie gezeigt werden: sie zerstört, weil sie durch nichts in Schranken gehalten wird. Der Philosoph ist zu einem gemeinschädlichen Wesen geworden. Er vernichtet Glück Tugend Kultur, endlich sich selbst. Sonst muss sie ein Bündniss der bindenden Kraft sein, als Arzt der Kultur. 30 [9] Anfang! Was! Harmonische Entwicklung! Soll man den, der Talent zur Bildhauerei hat, gewaltsam zur Musik nöthigen, wie Cellini von seinem Vater immer wieder zu dem lieblichen Hörnchen und zu dem verfluchten Pfeifen den Schuster zum Schneider machen? Was liegt an der Allerweltswissenschaft eines solchen Menschen! Man verwechselt oft die schwachen Naturen mit den harmonischen. Vielmehr ist Harmonie da, wenn alles auf einen Mittelpunct, auf eine Cardinalkraft bezogen ist, nicht wenn zahlreiche schwache Kräfte zugleich spielen. Der ästhetische Mensch soll der harmonische sein? Er ist nicht einmal ästhetisch verwendbar, er ist flach. Rafael ist doch gewiss harmonisch. 30 [10] Was ist Beredsamkeit? Sich verständlich machen? Doch das will auch der Maler, die Hieroglyphe, die Gebärde. Sich durch Worte verständlich machen? Geschriebene oder gesprochne macht keinen Unterschied hinsichtlich der Definition. Aber da fällt Poesie und Prosa hinein. Nun giebt es auch in der Poesie Rhetorik, aber Poesie ist nicht ein Theil der Rhetorik. Aber verständlich machen? Es ist doch nicht der Appell an den Verstand allein? Es giebt doch keine Rhetorik in der Mathematik. Den fremden Intellect und Willen durch Worte erregen? Aber das thut auch der Hitzkopf, der Betrunkene. Mit Besonnenheit dies thun? Aber dies thut auch der Betrüger, der Lügner. Ist es möglich, die Moralität mit in der Definition zu berücksichtigen? Keine Vorschrift sich zu verstellen. Mit künstlerischer Besonnenheit dies thun? Doch dies thut auch der Schauspieler und ist doch kein Redner (auch wenn er den Redner spielt, ist er noch etwas Anderes als der wirkliche Redner). Aber der Zweck ist doch kein künstlerischer? Nur das Mittel? Zu erinnern an die Baukunst. Durch Worte mit künstlerischer Besonnenheit zu bewirken, dass jemand über eine Sache so denkt und fühlt wie man will. Aber gehört das Erreichen zur Definition? Nein. Auch wenn das Ziel nicht erreicht wird, ist immer noch Rhetorik da. Der Redner bemüht sich, durch Anwendung von Worten und Gebärden, mit künstlerischer Besonnenheit, die von ihm Angeredeten denken und fühlen zu lassen, was er will. Doch will man dies nicht auch in der Dialektik? Wie wirkt man mit Worten auf den Verstand? Wie auf das Gefühl? Was unterscheidet den Redner vom leidenschaftlichen Sprecher, was vom Betrüger? Vom Schauspieler? Im Grunde ist Dichter und Redner eins. Der spätere Unterschied ist welcher? Ist es eine Kunst, eine Fertigkeit? Gewiss der Redner ist ein Künstler. Aber die frühesten Redner wissen nichts von Kunst? Sie haben sie als lebendige Praxis ererbt. Das Wichtigste ist: Aufstellung des Themas. Dann: Gliederung Zeichnung Architectur. Dann: Colorit Ornamentik etc. Der Redner im Gegensatz zum wissenschaftlichen Menschen. Die Anwendung der Stratagemata der Dialectik auf die Rede. 30 [11] Ein rechtes Problem ist die Ehrlichkeit und das Künstlerische: denke an Cicero und das Romanische Decorationsprincip. 30 [12] Poetik. Rhetorik. Alte Philosophie. Mythologie. Staat. Ethik. 30 [13] Ein Versuch über die Griechen. Staat. Ethik. Religion. Philosophie. Poetik. Rhetorik. 30 [14] Cap. I. | Der angebliche Welttag und die Vernichtung des Pessimismus. | Woher? Unmenschen. Der Name Philosoph will mir nicht über die Lippen. | Die modernen Menschen beten die Kraft an. | Schilderung der Schwäche überall. | Das gegen einander Feindselige, weil die Klammer fehlt. | Das Atomistische. | | Hartmann gar nicht zu erwähnen. |
30 [15] BEDRAENGNISS der PHILOSOPHIE A. Noth der Zeit, Anforderungen an den Philosophen. - Hast.
- Kein Bauen fürs Ewige (die neuen Häuser).
- Die mattgewordene Religion.
- Medicinische Moral. Naturalismus.
- Geschwächte Logik (durch Historie, Naturwissenschaft).
- Mangel an Erziehern.
- Unnütze und gefährliche Complicirtheit von Bedürfnissen, Pflichten.
- Vulkanischer Grund.
B. Angriffe auf die Philosophie. - Misstrauen der strengeren Methoden.
- Die Geschichte nimmt den Systemen das Gültige.
- Die Kirche hat die populäre Einwirkung an sich gerissen.
- Der Staat verlangt Leben im Augenblick.
C. Bild der Philosophen. - MattExcess des Denkens wirkungslos (Kleist).
- Sie finden den Punkt, wo das Gelehrte beginnt.
- Pfaffenstreit.
- Urzeiten.
- Mangel der sittlichen grossen Vorbilder.
- Conflikt zwischen Leben und Denken überall geduldet.
- Mangelhafte Logik.
- Die unsinnige Erziehung der Studenten.
- Das Leben der Philosophen und ihre Genesis.
D. | Philosophieob sie Fundament einer Kultur sein kann? Jaaber jetzt nicht mehr: sie ist zu sehr verfeinert und zugespitzt, man kann sich nicht mehr daran halten. Thatsächlich hat die Philosophie sich in den Strom der jetzigen Bildung hineinziehn lassen: sie beherrscht ihn gar nicht. Bestenfalls Wissenschaft geworden (Trendelenburg).
Bild Schopenhauers. Gegensatz seiner eudämonologischen Praxis (der Weltklugheit überreifer Zeiten wie der Spanier) und seiner nur geschauten tiefern Philosophie. Von zwei Seiten aus verurtheilt er die Gegenwart. Ich sehe einstweilen keine andre Möglichkeit, als für die Praxis die Weltklugheit Schopenhauers, für die tiefern Bedürfnisse die Weisheit.
Wer nicht in diesem Widerspruche leben will, der muss für eine verbesserte Physis (Cultur) kämpfen. |
30 [16] Ist Herr Ulrici weise? [Hermann Ulrici (1806-84): Professor der Philosphie an der Universität Halle.] Weilt er auch nur im Gefolge der Weisheit als einer ihrer Liebhaber? Nein: betrübter Weise nein, und ich kann doch nichts davor, dass er kein Weiser ist. Es wäre ja so erhebend zu wissen, dass wir Deutschen einen Weisen von Halle, einen Weisen von München usw. besässen: und besonders ungern lassen wir uns Carrière [Moritz Carrière (1817-95): Professor der Philosphie an der Universität München], den Erfinder des Realidealismus und des hölzernen Eisens entschlüpfen: wäre er nur ein wenig mehr weise, wie gern wollten wir ihn als voll gelten lassen. Denn es ist eine Schande, dass die Nation nicht einmal Einen Weisen, sondern nur fünf Denkwirthe hat: und dass E. von Hartmann es merken lassen kann, was er weiss: dass es augenblicklich in Deutschland an Philosophen fehlt. 30 [17] Wirkungen der kantischen Philosophie. Kleist. Simplicität der Alten. Nur soweit einer der Philosophie nachleben kann, soll er Philosophie haben: damit nicht Alles Worte werde (wie bei Plato, Brief 7). 30 [18] 1. Welche Wirkung hat die Philosophie jetzt auf die Philosophen geübt? Sie leben so wie alle anderen Gelehrten, selbst Politiker. Schopenhauer ist schon eine Ausnahme. Sie zeichnen sich durch keine Sitten aus. Sie leben ums Geld. Die fünf Denker der Augsburger Allgemeinen. [Ulrici, Carrière, Fichte, Jakob Frohschammer (1821-93), Johann N. Huber (1830-78).] Man betrachte das Leben ihrer höchsten Exemplare, Kant und Schopenhauerist das das Leben von Weisen? Es bleibt Wissenschaft: sie stehen zu ihrem Werke als Artisten, daher bei Schopenhauer die Begierde nach Erfolg. Es ist bequem, Philosoph zu sein: denn niemand macht an sie Ansprüche. Die erste Nacht des Diogenes. Sie beschäftigen sich mit lauter apices: Sokrates würde verlangen, dass man die Philosophie wieder zu den Menschen herab hole; es giebt keine oder eine ganz schlechte Popularphilosophie. Sie zeigen alle Untugenden der Zeit, die Hast voran, und schreiben darauf los. Sie schämen sich nicht zu lehren, sehr jung bereits. Welche Wirkung der Philosophie verspürt man bei den Zöglingen der Philosophen, ich meine bei den Gebildeten? Es fehlt uns der beste Stoff der Unterhaltung, die feinere Ethik. Rameaus Neffe. [Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Rameau’s Neffe. Ein Dialog von Diderot. In: Goethe's sämmtliche Werke in vierzig Bänden. Bd. 29. Stuttgart; Augsburg; Tübingen: J. G. Cotta, 1856.] Überwucherung der aesthetischen Gesichtspuncte für die Betrachtung der Grösse, des Lebens. 30 [19] Das Wort Philosophie, auf deutsche Gelehrte und Schriftsteller angewendet, macht mir neuerdings Beschwerde: es scheint mir unpassend. Ich wollte, man vermiede es und spräche fürderhin, deutsch und kräftig, nur noch von Denkwirthschaft. Doch ich will erzählen, wie ich zu diesem Einfalle kam. 30 [20] Ich bin so unbescheiden, zu dem Volk der Denker von der deutschen Denkwirthschaft (um nicht zu sagen Philosophie) zu reden. Wo lebt dieses Volk? wird der Ausländer fragen. Dort wo die fünf Denker leben, auf welche, als auf den Inbegriff deutscher Philosophie der Gegenwart, kürzlich an einer ausserordentlich öffentlichen Stelle aufmerksam gemacht wurde: Ulrici, Frohschammer, Huber, Carrière, Fichte. Was zwar den letztern anbetrifft, so ist es leicht, über ihn etwas Gutes zu sagen: denn selbst der böse Kraftmensch Büchner hat es gethan: alle Menschen haben nach Herrn Fichte dem Jüngern von Geburt an einen sie begleitenden Geist: nur Herr Fichte hat keinen. Aber auch in Betreff der übrigen vier Männer würde jener fanatische Freund des Stoffs mir zugeben, dass in ihnen etwas phosphorescirt, was in dem jüngern Fichte nicht phosphorescirt. Also: einer hat keinen Geist und die vier Übrigen phosphoresciren: in Bausch und Bogen: alle fünf philosophiren oder, um gut deutsch zu reden, sie treiben Denkwirthschaft. Auf sie aber wird das Ausland hingewiesen, um zu erkennen, dass wir Deutsche noch das Volk der Denker sind. Aus guten Gründen hat man E. von Hartmann nicht mit genannt: denn dieser besitzt wirklich, was der jüngere Fichte gerne hätte: ja er hat vermöge dieses Etwas das Volk jener fünf Denker, die Deutschen, auf eine recht unmanierliche Manier an der Nase herumgeführt: wonach es scheint, dass er nicht mehr an das Volk der Denker glaubt, und wahrscheinlichwas schlimmer istnicht einmal mehr an die fünf Denkwirthe. Nur aber, wer an sie glaubt, wird jetzt selig gesprochen: deshalb fehlt Hartmann unter den berühmten Namen des deutschen Reichs. Denn er hat Geist, und nur den Armen im Geiste gehört jetzt das Reich. 30 [21] Die Professoren der Philosophie üben nicht mehr Fertigkeiten ein, nicht einmal mehr das Disputiren. Die Logik, so wie sie gelehrt wird, ist ganz nutzlos. Aber die Lehrer sind schon viel zu jung, um mehr sein zu können als wissenschaftliche Anlerner: wie sollten sie erziehen, zur Weisheit? 30 [22] Tugend, ein altmodisches Wort. Man denke nur an die jungen Gymnasiallehrer, wenn die den ethischen Erzieher abgeben wollten! 30 [23] Es ist mit den Wissenschaften wie mit den Bäumen: man kann sieh nur an dem derben Stamm festhalten: an den obersten Ästen nicht mehr, man fällt herab und zerbricht meistens noch die Äste. So steht es mit der Erkenntnisstheorie. 30 [24] Welches Nachdenken, welche Vertrautheit mit der Seele zu Zeiten Diderots und Friedrich des Grossen! Selbst die Minna von Barnhelm, durch und durch auf französischer Gesellschaftssprache aufgebaut, ist jetzt zu fein. [Vgl. Gotthold Ephraim Lessing, Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück. Lustspiel in fünf Aufzügen. Zum Übers. ins Engl. mit erl. Noten vers. von W. C. Wrankmore. Leipzig: Göschen, 1858.] Wir sind rohe Naturalisten. Ich möchte, dass jemand zeigte, wie wir in unserer Verherrlichung des ethischen Naturalismus vollständig zu Jesuiten geworden sind. Wir lieben das Natürliche, als Ästhetiker, nicht als Ethiker: aber es giebt keine Ethiker. Man denke nur an Schleiermacher. 30 [25] Das Wichtigste an der Weisheit ist, dass sie den Menschen abhält, vom Augenblick beherrscht zu werden. Sie ist deshalb nicht zeitungsgemäss: ihre Absicht ist, den Menschen für alle Schicksalsschläge gleich fest hinzustellen, für alle Zeiten zu wappnen. Sie ist wenig national. 30 [26] Auch Montaigne ist den Alten gegenüber ein Naturalist der Ethik, aber ein grenzenlos reicher und denkender. Wir sind gedankenlose Naturalisten und zwar mit allem Wissen. 30 [27] Die Sympathie für die Urzustände ist recht die Liebhaberei der Zeit. So ein Unsinn, dass eine Descendenzlehre gar religionsmässig gelehrt werden kann! Die Freude liegt darin, dass nichts Festes da ist, nichts Ewiges und Unverbrüchliches. 30 [28] Es fehlen die ethischen Berühmtheiten; entschieden fehlt der Sinn dafür, sie anzuerkennen. Dagegen spukt die Theorie der Kraft. Ein Beispiel: einer sagt, Hegel ist ein schlechter Stilist: der andere: aber er ist so reich an originellen und volksthümlichen Wendungen. Das trifft aber das Material allein: der Stilist zeigt sich nicht darin, dass er schönen Marmor hat, sondern wie er ihn behaut. Ebenso im Ethischen. 30 [29] Nach Ruhe der Seele haben die Philosophen immer gestrebt: jetzt nach unbedingter Unruhe: so dass der Mensch in seinem Amte, seinem Geschäfte ganz aufgeht. Die Tyrannei der Presse wird sich kein Philosoph gefallen lassen: bei Goethe durften nur Wochennummern und Hefte erscheinen. 30 [30] Es giebt eine Kunst, sich die Dinge nur durch Worte und Namen, die man ihnen beilegt, fernzuhalten: ein Fremdwort macht uns oft das fremd, was wir sonst recht gut aus der Nähe kennen. Sage ich Weisheit und Liebe zur Weisheit, so empfinde ich gewiss etwas Heimischeres, Wirksameres als wenn ich Philosophie sage: aber wie gesagt, es ist mitunter eben die Kunst, sich die Dinge nicht zu nah kommen zu lassen. Liegt doch in den heimischen Worten oft so viel Beschämendes! Denn wer würde sich nicht schämen, sich als Weisen oder auch nur als werdenden Weisen zu bezeichnen! Aber als einen Philosophen? Das will jedermann so leicht über die Zunge: etwa so leicht als jeder den. Titel Doctor trägt, ohne jemals an die so anmaassliche Confession, die in ihm liegt, Lehrer zu sein, zu denken. Nehmen wir also an, dass das Fremdwort Philosoph von der Scham und Bescheidenheit eingegeben ist: oder wäre es wahr, dass vielleicht gar keine Liebe zur Weisheit da ist, und die fremdländische Bezeichnung, etwa wie bei dem Worte Doctor nur den Mangel an Inhalt, die Leere des Begriffs verhüllen soll? Es ist mitunter ausserordentlich schwer, das Vorhandensein einer Sache nachzuweisen: so verquickt, übersetzt, versteckt, so diluirt und abgeschwächt ist sie, während die Namen beharrlich sind und Verführet obendrein. ist das, was wir jetzt Philosophie nennen, wirklich Liebe zur Weisheit? Und giebt es jetzt überhaupt wahre Freunde der Weisheit? Setzen wir ungescheut Liebe zur Weisheit an Stelle des Wortes Philosophie: es wird schon herauskommen, ob sie sich decken. 30 [31] Unbekanntschaft mit Plutarch. Montaigne über ihn. Der wirksamste Autor (bei Smiles). Ob ein neuer Plutarch auch nur möglich wäre? Wir leben ja alle in einer stillosen naturalistischen Sittlichkeit; wir halten die antiken Gestalten leicht für deklamatorisch. [Vgl. Samuel Smiles, Charakter. Halle: Hendel, 1871; Der Charakter. Leipzig: Weber, 1872.] 30 [32] Das Christenthum hat höhere Formen gezeigt: aber die grössere Menge ist zurückgefallen. Es ist jetzt so schwer, zur Simplicität der Alten wieder zurückzukehren. 30 [33] Die Jesuiten schwächten und milderten die Ansprüche des Christenthums, um doch seine Macht noch zu behaupten. Der Protestantismus begann mit der Erklärung von Adiaphora in grösster Masse. 30 [34] Gracian zeigt eine Weisheit und Klugheit in der Lebenserfahrung, damit sich jetzt nichts vergleichen lässt. [Vgl. Balthasar Gracián, Handorakel und Kunst der Weltklugheit. Leipzig: F. A. Brockhaus, 1877.] Wir sind wohl die Mikroskopiker des Wirklichen, unsre Romane verstehen zu sehen (Balzac, Dickens), nur zu fordern und zu erklären versteht niemand. 30 [35] Die Neigung zur Mystik ist doch bei unsern Philosophen zugleich eine Flucht aus der handgreiflichen Ethik. Dort giebt es keine Forderungen mehr, noch Genies der Güte, des transscendenten Mitleids. Wird die Imputabilität in das Wesen verlegt, so sind die antiken Moralsysteme sinnlos. 30 [36] Die Philosophen wollen der Wissenschaft entfliehen: von ihr werden sie gejagt. Man sieht, worin sie schwach ist. Sie geht nicht mehr voran: weil sie selbst nur Wissenschaft ist, allmählich nur Grenzwächterschaft. 30 [37] 24 | Einleitung. | 8 | Innerlich. | 8 | Objektiv. | 8 | Hartmann. | 8 | Gegenmittel. | 56 | |
30 [38] Entwurf der Unzeitgemässen Betrachtungen. - Der Bildungsphilister.
- Geschichte.
- Philosoph.
- Gelehrte.
- Kunst.
- Lehrer.
- Religion.
- Staat Krieg Nation.
- Presse.
- Naturwissenschaft.
- Volk Gesellschaft.
- Verkehr.
- Sprache.
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