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Bayreuth, 1. Januar 1878: Herzlichsten Gruss und Wunsch 1. Dedication in a copy of Richard Wagner, Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel. Mainz: Schott, 1877. HAAB permalink.
Basel, 1. Januar 1878: Diese Partitur1 wird fruchtbringender in Ihren Händen sein, mein lieber Freund Köselitz, als in den meinen: sie sehnt sich gewiss längst nach einem würdigeren Besitzer und Jünger der Kunst als ich es bin, im Fall etwas von der Seele des grossen Mannes,2 der sie mir gab, daran hängen geblieben ist. Was ich von Ihnen wünsche, wird wohl in der Hauptsache dasselbe sein, was Sie von Sich wünschen; genug dass ich Sie mir öfter Goethe-Faustisch also redend denke: "— dieser Erdenkreis Neujahr 1878 Treugesinnt 1. The red morocco-bound score of Tristan und Isolde, which was given to Nietzsche by Richard Wagner (although there is no dedication by Wagner in it), was first lent to Heinrich Köselitz in the autumn of 1876, and then gifted to him here in 1878. Likewise, Nietzsche gifted the Meistersinger von Nürnberg score to Paul Heinrich Widemann (see below). Considering Richard Wagner's masturbation insult in the autumn of 1877, Nietzsche's disposal of Richard Wagner's scores in his possession may have been the act of a jilted friend. See Basel, October 10, 1877: Letter to Cosima Wagner in Bayreuth. In German. In English.
Basel, Neujahr 1878: Dieses Werk, ursprünglich ein Geschenk Richard Wagner's welches ich in Tribschen empfing, als ich 1869 dort mit ihm zum ersten Mal Weihnachten feierte, lege ich heute in die Hände des Herrn Paul Widemann, ebensowohl um ihm ein Zeichen meiner warmen und tiefen Hochschätzung zu geben, als um ein Unterpfand seiner Erinnerung an mich in seinem Besitz zu wissen. Möge der treffliche Freund sich dessen immer bewußt sein, daß ich treu in der Hoffnung auf sein Können und seine Kunst, treu im Glauben an seine große Kraft, Erfindungsgabe und Ausdauer bleiben werde. Ja, einst kommt der Tag, wo alles Erhoffte und Geglaubte sich erfüllt hat! Friedrich Nietzsche 1. Dedication in a copy of
Die Meistersinger von Nürnberg (The Master-Singers of Nuremberg). Considering Richard Wagner's masturbation insult in the autumn of 1877, Nietzsche's disposal of Richard Wagner's scores in his possession may have been the act of a jilted friend. See Basel, October 10, 1877: Letter to Cosima Wagner in Bayreuth. In German. In English.
Basel, Anfang Januar 1878: Indem ich — übersende, lege ich mein Geheimniß1 vertrauensvoll in Ihre und Ihrer edlen Gem[ahlin] Hände und nehme an daß es nunmehr auch Ihr Geh[eimnis] sei. Dies Buch2 ist von mir: ich habe meine innerste Empfind[ung] über Menschen und Dinge darin ans Licht gebracht und zum ersten Male die Peripherie meines eigenen Denkens umlaufen. In Zeiten, welche voller Parox[ismus] und Qualen waren, war dies Buch mein Trostmittel, welches nicht versagte, wo alle anderen Trostm[ittel] versagten. Vielleicht lebe ich noch, weil ich seiner fähig war. Es mußte [ein] Pseudon[ym] gewählt werden, einmal weil ich die Wirkung meiner früheren Schriften nicht stören mochte, sodann weil die öffentl[iche] und private Beschmutzung der Würde meiner Person damit verhindert werden soll (weil meine Gesundheit dergleichen nicht mehr aushält) endlich und namentlich, weil ich eine sachliche Diskussion möglich machen wollte, an der auch meine so intelligenten Freunde aller Art theilnehmen können, ohne daß ein Zartgefühl ihnen wie bisher dabei im Wege stand. Niemand will gegen meinen Namen schreiben und reden. Aber ich weiß keinen von ihnen, der die Ansichten dieses Buches hätte, bin aber sehr lernbegierig in Bezug auf die Gegengründe, welche in diesem Falle vorzubringen sind. Mir ist zu Muthe wie einem Offizier der eine Schanze gestürmt hat. Zwar verwundet — aber er ist oben und — entrollt nun seine Fahne. Mehr Glück, viel mehr als Leid, so furchtbar das Schauspiel rings herum ist. Obschon ich wie gesagt niemanden kenne, der jetzt noch mein Gesinnungsgenosse ist, habe ich doch die Einbildung, nicht als Individuum sondern als Collektivum gedacht zu haben — das sonderbarste Gefühl von Einsamkeit und Vielsamkeit. — Herold vorangeritten, 1. Nietzsche had planned to use a pseudonym for Menschliches Allzumenschliches (Human, All Too Human), German Text. According to Elisabeth Förster-Nietzsche, he was going to use the name Bernard Cron, and even invented a fake biography. See Elisabeth Förster-Nietzsche, Das Leben Friedrich Nietzsche's. Zweiter Band. Erste Abtheilung. Leipzig: Naumann, 1897, 290. "Herr Bernard Cron ist, so viel man weiß, ein Deutscher aus den russischen Ostseeprovinzen, der in den letzten Jahren auf Reisen unterwegs ist. In Italien, wo er sich unter Anderem philologischen und antiquarischen Studien hingab, machte er die Bekanntschaft des Herrn Dr. Paul Rée. Durch dessen Vermittelung ist er in Beziehung zu Herrn Schmeitzner getreten. Da sein Aufenthalt auch für die nächsten Jahre noch wechselnd und unbestimmt ist, sind eventuell Briefe an den Verlager des Herrn Cron abzugeben. — Herr Schmeitzner hat ihn nie seen him persönlich gesehen." (Herr Bernard Cron is, so far as is known, a German from the Russian Baltic Sea provinces who has been traveling in recent years. In Italy, where among other things he devoted himself to philological and antiquarian studies, he made the acquaintance of Dr. Paul Rée. Through his mediation, he entered into relations with Herr Schmeitzner. Since his whereabouts will be changing and uncertain for the next few years, letters should be delivered to Herr Cron's publisher. — Herr Schmeitzner has never seen him personally.) He was dissuaded from using the pseudonym by Ernst Schmeitzner. See Chemnitz, 01-25-1878: Letter from Ernst Schmeitzner to Nietzsche in Basel. "Nur um Eines muß ich Sie noch ausdrücklich bitten, das ist, das Buch nicht pseudonym erscheinen zu lassen. Ich glaube, daß Ihre Schriften von verschiedenen Seiten ignoriert werden, hat Sie hauptsächlich zu der mir vorgeschlagenen Maaßregel veranlaßt; aber ich muß gestehen, daß in dieser Hinsicht die Wahl der Pseudonymität kein guter Griff ist. Es hieße das nicht anders, als um vielleicht 50 Feinde zu überrumpeln 300 Freunden das Buch vorenthalten. Für mich heißt Pseudonymität, das hier sehr kostspielige Erstlingswerk eines neuen Autors verlegen — bekanntlich das größte Risiko, was ein Verleger auf sich nehmen kann. Es ließe sich darauf entgegnen, das Buch werde seinen Weg schon zu finden wissen; allein kann es dies denn mit Ihrem Namen nicht noch viel besser. Und das was Ihre Gegner bei dem Namen Nietzsche hassen, werden sie schließlich auch bei einem anderen Namen heraus wittern. —" (There is only one thing I have to ask you specifically, and that is not to let the book appear pseudonymously. I believe that the fact that your writings are being ignored by various quarters is the main reason for the measure I have suggested; but I must confess that in this respect the choice of pseudonymity is not a good choice. It would not mean anything other than withholding the book from 300 friends in order to surprise perhaps 50 enemies. For me, pseudonymity means publishing the very expensive first work of a new author — as is well known, the greatest risk that a publisher can take. One could reply that the book will soon find its way; but it cannot do this much better than with your name. And what your opponents hate when they hear the name Nietzsche, they will eventually perceive under another name. —) Basel, 4. Januar 1878: Sie sind so gut, lieber, lieber Freund, mit Ihren Wünschen und Verheißungen und ich bin jetzt so arm. Jeder Ihrer Briefe1 ist ein schönes Stück Lebensfreude für mich, aber ich kann Ihnen Nichts, gar Nichts dagegen geben. Wieder sind, während der Weihnachtsferien, böse, böse Tage, ja Wochen an mir vorbeigezogen: nun wollen wir sehen, was das neue Jahr kann. Uns zusammenbringen? Ich halte daran fest. Gestern kam, von Wagner gesandt, der Parsifal2 in mein Haus. Eindruck des ersten Lesens: mehr Liszt, als Wagner, Geist der Gegenreformation; mir, der ich zu sehr an das Griechische, menschlich Allgemeine gewöhnt bin, ist Alles zu christlich zeitlich beschränkt; lauter phantastische Psychologie; kein Fleisch und viel zu viel Blut (namentlich beim Abendmahl geht es mir zu vollblütig her), dann mag ich hysterische Frauenzimmer nicht; Vieles, was für das innere Auge erträglich ist, wird bei der Aufführung kaum auszuhalten sein: denken Sie Sich unsere Schauspieler betend, zitternd und mit verzückten Hälsen. Auch das Innere der Gralsburg kann auf der Bühne nicht wirkungsvoll sein, ebensowenig der verwundete Schwan. Alle diese schönen Erfindungen gehören in’s Epos und, wie gesagt, für's innere Auge. Die Sprache klingt wie eine Übersetzung aus einer fremden Zunge. Aber die Situationen und ihre Aufeinanderfolge — ist das nicht von der höchsten Poesie? Ist es nicht eine letzte Herausforderung der Musik? Soviel für heute, nehmen Sie fürlieb. Ihnen und Ihrer lieben Frau Gemahlin treu ergeben P. S. Lipiner3 ist, nach seinem Brief an mich,4 ein guter Wagnerianer; beiläufig sollte man es fast wünschen, er möchte den Parsifal noch einmal überdichten. 1. E.g., Salzburg, 12-30-1878: Letter from Reinhart von Seydlitz to Nietzsche in Basel. Berlin-Charlottenburg, 18. Januar 1878: [Berlin]-Charlottenburg 18 Januar 1878 Hochgeschätzer Herr! Als Ihre Unzeitgemäßen Betrachtungen2 erschienen, hatte ich das Glück diese herrlichen Werke und später Ihre wunderbar ergreifende Abhandlung über "die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik"3 kennen zu lernen, ohne von jemand darauf hingewiesen zu werden. Da ich bis zu jener Zeit überhaupt wenig gelernt hatte, gelang es mir erst allmählig und nach manchem Bemühen in den Sinn Ihrer Schriften einzudringen; fand nun aber Alles, was ich bewußt auch unbewußt lange vergebens angestrebt und gesucht hatte, denn ich habe vier Knaben und gehöre zu den Vätern, denen die Erziehung ihrer Kinder am Herzen liegt. Es war mir nur vergönnt in gering bemessenen Zeitabschnitten, während einer unruhigen praktischen Thätigkeit, mich mit diesen Studien zu beschäftigen; aber jedesmal ergriff ich Ihre Werke mit erneutem Entzücken und überall strömt Kraft und Wohlwollen daraus entgegen, immer fand ich von Neuem heilkräftigende Ruhe darin, die mir Musik nicht gewährt, da ich schwerhörend geworden bin. Aus keinem Buche erhielt ich jemals gleichzeitig mehr Belehrung, Anregung und Erfrischung als gerade hier und so ist für mich das Verständniß Ihrer Schriften eine Errungenschaft und zur unermeßlichen Wohlthat geworden. Ein Übermaß an Pflichten zwingt mich jetzt diese erhebende Beschäftigung für längere Zeit ganz auszusetzen und da mir die Trennung schwer wird, drängt es mich Ihnen, hochverehrter Herr, meinen Dank und Verehrung auszusprechen, Gefühle die ich schon lange im Herzen hege und Zeit Lebens darin bewahren werde. Treu bin ich immer in der Freundschaft gewesen und selbstlos ist gewiß mein Antheil an allem Großen, was aus dem Geiste der Musik hervorgeht; so treu und selbstlos will ich Ihnen in Freundschaft zugethan bleiben, meinen Kindern Liebe und Pietät für Sie und Ihre schönen Werke frühzeitig in die jungen deutschen Herzen pflanzen. Es gehört für mich Muth dazu, Ihnen diese Zeilen zu senden, da sich ein Einzelner nicht vordrängen sollte, wo Ihnen der Dank von Vielen gebührt; ich mir auch vergegenwärtige, wie Sie in Ihrer erhabenen Aufgabe unermüdlich thätig sind und diese Unterbrechung zu ungelegener Zeit eintreffen kann. Dann wollen Sie erwägen, wie ich in Gedanken so oft bei Ihnen war und hiernach meine Zeilen mit freundlicher Nachsicht hinnehmen. Dann wollen Sie erwägen, wie ich in Gedanken so oft bei Ihnen war und hiernach meine Zeilen mit freundlicher Nachsicht hinnehmen. Es zeichnet mit vorzüglicher Hochachtung Ihr treuer 1. Otto Carl Wilhelm Busse (1836-1889): German surveyor and city planner in Berlin. Busse was the second oldest son of the architect, Carl Ferdinand Busse (1802-1868). His three brothers were also architects, while his sister, Anna Sophie Weigert Wolff (1847-1825), was married to Julius Wolff (1836-1902), a Jewish orthopedic surgeon and professor in Berlin. In 1881, Wolff intervened on Busse's behalf when his mental health deteriorated, and he began to pester Nietzsche with rambling, pseudo-philosophical missives. See Berlin, 03-22-1881: Letter from Julius Wolff to Nietzsche in Genua. In German. In English.
Basel, June 11, 1878: Mir ist es sehr lieb und erwünscht, daß einer meiner Freunde W[agner]n Gutes und Freundliches erweist: denn ich bin immer weniger im Stande, ihm (so wie er nun einmal ist — ein alter unveränderlicher Mann) Freude zu machen.1 Seine und meine Bestrebungen laufen ganz aus einander. Dies thut mir wehe genug — aber im Dienste der Wahrheit muß man zu jedem Opfer bereit sein. Wüßte er übrigens, was ich alles gegen seine Kunst und seine Ziele auf dem Herzen habe, er hielte mich für einen seiner ärgsten Feinde — was ich bekanntlich nicht bin. — Mein letzter Brief war wohl sehr undeutlich? Mit Via-Mala-Consequenzen2 bezog ich mich auf meine Ansichten3 über Moral und Kunst (die das Härteste sind, was mir der Wahrheitssinn bis jetzt abgerungen hat!) — In 14 Tagen haben wir große Auflösung unsres Haushalts:4 meine liebe Schwester geht nun für immer wieder zu meiner Mutter zurück. — Ergebensten Dank für das Hamdelied: wer ist die Übersetzerin?5 — F.N und L.N. 1. Richard Wagner (1813-1883) and Nietzsche had been friends since 1868.
Basel, kurz vor Ende Juni 1878: Sie sind einer der Allerersten, lieber und werther Herr Doktor, welche mein Buch1 praktisch nehmen: darüber freue ich mich sehr, denn es beweist mir, daß die Wohlthat, welche ich mir selber damit erwies — auch noch übertragbar ist. Fühlen Sie jetzt, hinterdrein, nicht etwas von Höhenluft —; es ist etwas kälter um uns, aber um wie viel freier und reiner als im Dunst des Thals! Ich wenigstens fühle mich rüstiger und zu allem Guten entschlossener als je — auch zehnmal milder gegen Menschen, als in der Zeit meines früheren Schriftthums. In summa und im kleinsten Einzelnen: jetzt wage ich es, der Weisheit selber nachzugehen und selber Philosoph zu sein; früher verehrte ich die Philosophen.2 Manches Schwärmerische und Beglückende schwand: aber viel Besseres habe ich eingetauscht. Mit der metaphysischen Verdrehung ging es mir zuletzt so, daß ich einen Druck um den Hals fühlte, als ob ich ersticken müßte. Bei Ihnen muß sich vieles innerlich ereignet haben, was mir eine gewisse Wahrscheinlichkeit gab, daß wir, gerade auf der neuen Basis,3 gut freund werden müßten. Sie segeln jetzt in ein unbekanntes neues Meer; es thut mir gar zu wohl, zu denken, daß ich Ihnen dabei den Muth nicht verdorben, daß Sie es verstanden haben, meine Freigeisterei, ,4 selbst als Fahrwind zu benutzen. Und nicht wahr? mein Gesicht bleibt Ihnen doch wieder Nietzschisch und nicht mehr Bülowisch? —5 Das Orchester in Ihren Händen und unter Ihrem Geiste — ist mir eine höchst angenehme Vorstellung. Dahin mußte es kommen, im ganzen Plane Ihres Lebens: "am Ende ist der Sinn," entsprechend Ihrem "im Anfang war der Unsinn": was ich ganz glorios gesagt finde.6 Bleiben Sie mir gut! Immer Ihnen zugethan, obschon meine Augen mich zwingen, Ihren reichen Briefen das undankbarste Stillschweigen entgegenzusetzen. Aber Sie verstehen auch dies recht — nachdem wir überhaupt uns verstehen. F. N. 1. Menschliches Allzumenschliches (Human, All Too Human), German Text.
Basel, 15. Juli 1878: Verehrtestes Fräulein, es ist nicht zu ändern: ich muß allen meinen Freunden Noth machen — eben dadurch daß ich endlich ausspreche, wodurch ich mir selber aus der Noth geholfen habe. Jene metaphysische Vernebelung alles Wahren und Einfachen, der Kampf mit der Vernunft gegen die Verunft, welcher in Allem und Jedem ein Wunder und Unding sehen will — dazu eine ganz entsprechende Barockkunst der Überspannung und der verherrlichten Maßlosigkeit — ich meine die Kunst Wagner’s — dies Beides war es, was mich endlich krank und kränker machte und mich fast meinem guten Temperamente und meiner Begabung entfremdet hätte. Könnten Sie mir nachfühlen, in welcher reinen Höhenluft, in welcher milden Stimmung gegen die Menschen die noch im Dunst der Thäler wohnen ich jetzt hinlebe, mehr als je entschlossen zu allem Guten und Tüchtigen, den Griechen um hundert Schritt näher als vordem: wie ich jetzt selber, bis in’s Kleinste, nach Weisheit strebend lebe, während ich früher nur die Weisen verehrte und anschwärmte — kurz wenn Sie diese Wandelung und Krisis mir nachempfinden können, oh so müßten Sie wünschen, etwas Ähnliches zu erleben! Im Bayreuther Sommer1 wurde ich mir dessen völlig bewußt: ich flüchtete nach den ersten Aufführungen denen ich beiwohnte,2 fort in's Gebirge, und dort, in einem kleinen Walddorfe,3 entstand die erste Skizze, ungefähr ein Drittel meines Buche,4 damals unter dem Titel "die Pflugschaar." Dann kehrte ich, dem Wunsche meiner Schwester folgend, nach Bayreuth zurück und hatte jetzt die innere Fassung, um das Schwer-Erträgliche doch zu ertragenund schweigend, vor Jedermann! Jetzt schüttele ich ab, was nicht zu mir gehört, Menschen, als Freunde und Feinde, Gewohnheiten Bequemlichkeiten Bücher; ich lebe in Einsamkeit auf Jahre hinaus, bis ich wieder, als Philosoph des Lebens, ausgereift und fertig verkehren darf (und dann wahrscheinlich muß) Wollen Sie mir, trotz alledem, so gut bleiben, wie Sie mir waren oder vielmehr, werden Sie es können? Sie sehen, ich bin auf einen Grad der Ehrlichkeit angelangt, wo ich nur die allerreinlichsten menschlichen Beziehungen ertrage. Halben Freundschaften und gar Parteischaften weiche ich aus, Anhänger will ich nicht. Möge Jeder (und Jede) nur sein eigner wirklicher Anhänger sein! Ihnen von Herzen 1. 1876. |
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